Kinder gehen ihren eigenen Weg


Sie fordern mich heraus, jeden Tag aufs Neue.
Sie wollen alles von mir, was ich zu geben habe und noch viel mehr.
Sie bringen mich an meine Grenzen, körperlich sowie emotional.
Sie überlegen nicht, sie tun es einfach, ohne auf die Konsequenzen zu achten.

Dennoch liebe ich sie, mache mir Sorgen, versuche alles richtig zu machen, versuche sie zu beschützen, versuche ihnen ein Vorbild zu sein, tue alles was in meiner Macht steht, um immer für sie da zu sein.

Und doch bemerke ich täglich mein Scheitern.
Nie kann ich ihnen gerecht werden, so wie es ihnen gebührt.
Mal tu ich zu wenig, mal zu viel und mal zum falschen Zeitpunkt…

Ich spüre, wie sie um ihr eigenes Leben kämpfen, während ich versuche sie im Zaum zu halten, um sie zu beschützen.
Ich merke, wie sie ihre eigenen Erfahrungen machen wollen, während ich versuche ihnen Enttäuschungen zu ersparen.
Ich sehe, wie sie mit dem Kopf durch die Wand wollen, während ich versuche, sie vor Verletzungen zu bewahren.

Ich spüre eine unbändige Angst, sie loszulassen!

Angst davor, es könnte ihnen etwas zustoßen.
Angst davor, sie könnten es nicht schaffen, in dieser Welt zu bestehen.
Angst davor, sie könnten nicht glücklich werden.

Doch kann ich all das wirklich verhindern durch mein Bemühen, ihnen den Weg zu ebnen?
Wahrscheinlich nicht!
Oder vielleicht doch?
Wer weiß?
Ich muss es doch zumindest versuchen!

Denn da ist diese unbändige Angst, sie loszulassen!

Doch wie können sie ihr Gleichgewicht finden, wenn ich sie immer an der Hand halte?
Wie können sie ihren eigenen Weg finden, wenn ich ihren Bewegungsradius eingrenze?
Wie können sie erfahren, was ihnen gut tut, wenn ich ihnen mit meinem Vorschlag zuvor komme?
Wie können sie herausfinden, was richtig und was falsch ist, wenn ich sie vor Fehlern bewahre?

Doch da ist diese unbändige Angst, sie loszulassen!

Was kann ich also tun?
Wie kann ich diese Angst überwinden?
Gar nicht!

Ich kann mich nur ergeben, mich in dieses Schicksal fügen und dieser Angst begegnen.
Ich kann mich daran erinnern, dass jeder Mensch einen Schutzengel hat, der auf sie/ihn aufpasst.
Ich kann darauf vertrauen, dass Gott über jeden von uns seine schützende Hand hält.

Und genauso, wie ich meine Kinder in die Hände Gottes lege, hoffe ich, dass auch ich gehalten werde und mir geholfen wird, mit meiner Angst umzugehen.

Ich verlasse mich darauf, dass wenn ich meinen Kindern mehr zutraue und sie mehr eigene Erfahrungen machen, sie auch für alles besser gerüstet sind, was auf sie zukommt.
Ich vertraue darauf, dass das Leben für jeden von uns nur das Beste will, sofern wir bereit sind, uns darauf einzulassen.
Ich bin sicher, dass es für jeden göttliche Unterstützung gibt, die so liebevoll und bedingungslos ist, wie es Eltern nie bieten können.

So kann ich loslassen, ohne von der Angst aufgefressen zu werden. Nicht, dass sie deswegen verschwunden wäre. Nein, sie wird zeitlebens mein Begleiter sein, aber sie wird mich nicht beherrschen und mich zu unüberlegten Handlungen zwingen. Ich werde mich mit der Angst anfreunden, sie fühlen, ihr für ihre Dienste danken und mit ihr gemeinsam zur Ruhe kommen, so dass wir friedlich koexistieren können, bis ich sie vielleicht eines Tages ganz loslassen kann.

Mein Schritt in die Zukunft